Juli
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Unterleuten – Juli Zeh
Cora

Klappentext:
Wer nur einen flüchtigen Blick auf das Dorf in Brandenburg wirft, ist bezaubert von den altertümlichen Namen der Nachbargemeinden, von den schrulligen Originalen, die den Ort nach der Wende prägen, von der unberührten Natur mit den seltenen Vogelarten. Doch hinter den Fassaden der kleinen Häuser brechen alte Streitigkeiten wieder auf. Und obwohl niemand etwas Böses will, geschieht Schreckliches.

Mit „Unterleuten“ hat Juli Zeh einen großen Gesellschaftsroman über die wichtigen Fragen unserer Zeit geschrieben, der sich hochspannend wie ein Thriller liest. Gibt es im 21. Jahrhundert noch eine Moral jenseits des Eigeninteresses? Woran glauben wir? Und wie kommt es, dass immer alle nur das Beste wollen, und am Ende trotzdem Schreckliches passiert?


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Titel: Unterleuten
Autor: Juli Zeh
Verlag: Luchterhand
Seiten: 640
ISBN: 978-3630874876
Meine Bewertung: 5 Sterne – gefällt mir sehr

Zitate:
S. 22 […] Ein Mensch konnte niemals genug Land besitzen – so viel hatte sie ihre neue Existenz im provinziellen Paralleluniversum bereits gelehrt. […]
S. 58 […] Sie glauben gar nicht, wie viele Pferdebesitzer keine Ahnung haben, wie man mit diesen Tieren umgeht. Das ist so, als würde jemand, der Kupplung und Bremse nicht unterscheiden kann, einen Formel-1-Wagen kaufen. […]
S. 84 […] Schon immer hatte [er] die Auffassung vertreten, dass er lieber zehn Männer zu Feinden hätte, als eine einzige Frau. […]
S. 160 […] In Wahrheit war jeder froh, wenn er nichts entscheiden und folglich auch nichts verstehen musste. Auf diese Weise ersparte man sich das anstrengende Nachdenken über komplizierte Sachverhalte und behielt trotzdem das Recht, sich nach Herzenslust zu beschweren. […]
S. 481 […] Bäume konnten weder weglaufen noch kämpfen. Sie waren dazu verurteilt, zu wachsen und zu sterben, wie es dem Menschen gefiel. […] Der Holzernte wohnte etwas Unfaires inne. Er tötete Wesen, die älter waren als er selbst [und] [n]ichts von dem, was er heute in seinen Wäldern pflanzte, würde er aufwachsen sehen.
S. 568 […] Sie dachte immer nur bis zum nächsten Vorwurf. So überzeugt war sie von der Existenz eines Optimalzustands, dass sie überall nur Defizite sah, sogar dann, wenn sie gewann. […]
S. 630 […] Wenn ich in Unterleuten eins gelernt habe, dann dass jeder Mensch ein eigenes Universum bewohnt, in dem er von morgens bis abends recht hat.[…]

Inhalt:
Unterleuten ist ein kleines Dorf in Brandenburg. Hier wird noch alles unter den Leuten selbst geregelt. Blöd nur, dass sich nun auch zugezogene als Einheimisch fühlen und das Dorfleben damit ganz schön aufmischen …

Meine Meinung:
Juli Zeh hatte mich bereits mit der ersten Seite in ihren Bann gezogen. Unterleuten ist ein typischen brandenburgisches Dorf (eine Kneipe, eine Kirche und viele kleine Häuser) mit seinen schrulligen Einwohnern. Die Charaktere im Buch sind so natürlich und scheinen vom Dorf direkt ins Buch gewandert zu sein. Auch wenn es hier viele Personen gibt, denen immer ein Kapitel gewidmet ist (um die Sicht desjenigen darzustellen) ist es sehr leicht den Überblick zu behalten. Die Ausdrucksweise ist gut, so wählt Juli Zeh immer die passenden Worte und hat dabei einen guten Stil.

Besonders beeindruckt hat mich die Aktualität des Buches. 2016 geschrieben, mit der Handlung von 2010 und dennoch als wäre es gerade erst passiert. Der Mauerfall und die Probleme sind so weitreichend und lebendig geschildert, dass sie auch über 25 Jahre später noch eine Brisanz haben – auf eine Art sehr erschreckend. Die Geschichte in Unterleuten schildert eindrucksvoll, dass […] jeder Mensch ein eigenes Universum bewohnt, in dem er von morgens bis abends recht hat.[…] Zitat S. 630.

Fazit:
Erschreckend, traurig, witzig, dörflich. So könnte „Unterleuten“ zusammengefasst werden. Mit einer Prise Arroganz und Gewalt abgerundet und nachdenklich im Abgang. Daher ist es nicht leicht eine Leseempfehlung auszusprechen. Ich empfehle dennoch allen Dörflern sowie allen potentiellen Dörflern (die Landflucht beginnt und es stehen immer mehr Häuser zum Verkauf), dieses Buch zu lesen. Schon allein um ggf. Fehler zu vermeiden. Man weiß ja nie mit wem der Nachbar und so weiter 😉 Von mir gibt es definitiv 5 Sterne, weil mich „Unterleuten“ gut unterhalten und zum Nachdenken angeregt hat.

Dieses mal bedanke ich mich bei meinem Nachbarn, der mir dieses Buch vor die Tür gelegt hat 😉