Klappentext:
Paris 1884. In der neurologischen Abteilung der Salpêtrière-Klinik führt Dr. Charcot Experimente mit hysterischen Patientinnen durch. Seine Hypnosevorführungen locken Besucher aus ganz Europa an; wie ein Magier lässt der Nervenarzt die Frauen vor seinem Publikum tanzen. Dann aber wird Runa in die Anstalt eingeliefert, ein kleines Mädchen, das all seinen Behandlungsmethoden trotzt. Jori Hell, ein Schweizer Medizinstudent, wittert seine Chance, an den ersehnten Doktortitel zu gelangen, und schlägt das bis dahin Undenkbare vor. Als erster Mediziner will er den Wahnsinn aus dem Gehirn einer Patientin fortschneiden. Was er nicht ahnt: Runa hat mysteriöse Botschaften in der ganzen Stadt hinterlassen, auf die auch andere längst aufmerksam geworden sind. Und sie kennt Joris dunkelstes Geheimnis …
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Titel: Runa
Autor: Vera Buck
Verlag: Limes
Seiten: 609
ASIN: B00XSQDT38
Meine Bewertung: 5 Sterne – gefällt mir sehr |
Bei „Runa“ handelt es sich um einen Tatsachenroman, der auf dem Gelände des französischen Hôpital de la Salpêtrière spielt. Dort arbeitete und behandelte Jean-Martin Charcot (Pathologe / Neurologe) Frauen, welche an Hysterie (heute: somatischen Störungen) litten, mit eher fragwürdigen Methoden. Der (teils) erfundene Kriminalroman hinter den Experimenten um die Salpêtrière ist aber genauso düster und gruselig wie die Untersuchungen in der Vergangenheit der Klinik.
Inhalt:
Jori möchte unbedingt unter Dr. Charcot promovieren und verlässt daher seinen Heimatort in der Schweiz um in Paris an der Salpêtrière zu studieren. Nach drei Jahren hat er allerdings immer noch keine Ahnung worüber er seine Doktorarbeit schreiben möchte und dann taucht eine neue Patientin auf: Runa. Sie ist jung, hat weiße Haut und Haare, spricht nicht, hat unterschiedliche Pupillen und leidet unter seltsamen Anfällen. Jori ergreift seine Chance und möchte Charcot beweisen, dass er, Jori, ein begnadeter Chirurg ist. Er möchte Rune den „Wahnsinn“ aus dem Knopf schneiden …
Schreibstil:
Ich wusste zu Beginn des Buches nicht, dass es sich bei „Runa“ um einen Tatsachenroman handelt und war einfach nur schockiert was sich Vera Buck für Folterinstrumente (für die Behandlung der Hysterikerinnen in der Salpêtrière) ausdachte. Bis ich dann googelte und einige Charaktere sowie die Schauplätze tatsächlich fand und danach stark überlegte ob ich das Buch wirklich weiterlesen wollte. Denn das Grauen, welches die Autorin wahrlich gut schildern konnte, fand genauso statt! Berichte inkl. Fotografieren finden sich zur Genüge! Ich las dann doch weiter, denn nicht umsonst in „Runa“ ein Nr. 1 Bestseller im Bereich der medizinischen Thriller und es wurde dann auch wirklich wieder menschlich. Die Phasen zwischen den Experimenten, das menschliche um den Protagonisten Jori und das grausige um Runa wechselten sich dann so gut ab, dass ich die Geschichte gut lesen und verarbeiten konnte und dabei wirklich einiges zu den damaligen Behandlungsmethoden gelernt habe. Für zart besaitete ist dieses Buch allerdings nicht zu empfehlen, daher lieber erstmal „Charcot“ googeln und dann entscheiden ob dieses Buch für das eigene Gemüt günstig gewählt ist 😉 Mir hat der Schreibstil sehr gut gefallen und auch die kleinen Längen, die einige Passagen aufwiesen waren zur Erholung sehr angenehm.
Charaktere:
Runa (Bedeutung: kommt aus dem altnordischen und könnte mit „die Geheimnisvolle“ übersetzt werden) ist eine wundervolle Person, die ich trotz ihrer Anfälle sofort in mein Herz geschlossen habe. Ich hätte sie ebenfalls gerne adoptiert um ihr alles zu ermöglichen oder zu geben was sie benötigt. Ihre Geschichte ist furchtbar und ich muss ehrlich zugeben, dass ich ein paar Tränen verdrückte.
Jori, der junge Student, war mir zu Beginn sehr unsympathisch. Wie kann ein Mensch bei den Experimenten von Charcot zusehen und das auch noch toll finden? Als er später erkannte, wie brutal die Experimente wirklich waren und sich von seinem Mentor abwandte wurde er mir sympathisch. Wer aus seinen Fehlern lernt, kann kein schlechter Mensch sein!
Was soll ich zu Personen sagen, welche wirklich lebten? Charcot, Babinski, Luys, Bleuler – alle waren auf eine Art unsympathisch (wobei ich Babinski noch sehr interessant fand), aber ggf. wussten sie es nicht besser? Ich kann nicht urteilen oder bewerten, wenn ich die Hintergründe nicht kenne. Waren es wirklich die, die über Leichen gingen um die Medizin voranzutreiben oder machte es ihnen Freude Menschen, im Namen der Wissenschaft, zu quälen? Was veranlasst Menschen sich über andere zu stellen und so zu handeln? Anders gesehen: hätten sie dies damals nicht gemacht, wo stünden wir dann mit unseren Behandlungen in der heutigen Zeit?
Cover:
Ich war mal wieder „Cover-Käufer“ und daher muss es wohl gut sein. Die großen Buchstaben die Perlen, was auch immer mir dieses Cover sagen möchte, die Aufmerksamkeit hat es definitiv bekommen.
Fazit:
Ein ganz krasses Buch über die Zeit an der französischen Salpêtrière, welches mich teils schockiert und wieder fasziniert (je nach Thema) zurückließ. Eine Geschichte über die Medizingeschichte mit einem spannenden Krimi verflochten.